Haben Gefühle ein Gesicht? Universelle Mimik.

Judith Leyster, Selbstportrait (1630)
Judith Leyster, Selbstportrait (1630)

S3E01 Und plötzlich, mitten in einem eigentlich guten Gespräch fühlten Sie sich unwohl. Ihr Gegenüber hatte plötzlich so einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Jetzt guckt er wieder anders, aber das Gefühl bleibt. Was war das?

Unsere erste Folge der 3. Staffel beschert Ihnen einen tieferen Einblick, welche Möglichkeiten uns die Natur mitgegeben hat, um in „Sozialen Einheiten“ (Familien, Gruppen, Vereinen, Dörfern, Städten) miteinander zu kommunizieren. Auch gibt sie die Möglichkeit für uns, die anderen „zu lesen“, Gefühle zu erkennen. Ja, selbst die blitzschnellen, flüchtigen Bewegungen der Gesichtsmuskulatur beeinflusst andere und bietet Einblicke in unseren aktuellen Gemütszustand. Und den der Anderen.

Auch auf Apple Podcast und überall, wo es Podcasts gibt.
Wir empfehlen:
https://wissenschaftspodcasts.de/podcasts/

Und das Immer. Auch wenn uns nicht bewusst wird, weshalb uns da jemand plötzlich suspekt ist, könnte es an der Mikroexpression, diesem blitzschnellen Minenspiel liegen. 

Diese Fähigkeiten entwickelten wir, als wir uns noch in kleineren Gruppen und, vor allen Dingen, direkt begegnet sind. Auch wenn die dafür notwendigen Sinne „Fernsinne“ genannt werden – es war Auge in Auge oder Füstern, Geräusche und Reden. Damals bedeutet: Die Erfindung der „Tele“Kommunikation war noch mehr als 100.000 Jahre entfernt.

Die Sinne und die Wahrnehmung sind geblieben. Unsere Reaktionen auch. Statt mit 10 – 30 Menschen können wir hunderte erreichen und hunderte sehen und hören. Und die uns in Social Media, Youtube, Instagram.

Also: Schauen wir uns unsere Superkräfte einmal genauer an? Die erste von 42 weiteren Folgen der Staffel 3 des Podcasts, der die Antwort auf alle Fragen beantworten wird, lohnt sich. 

Quellen

Unsere „5 plus“ Sinne. Als es LLM noch nicht gab, war es etwas verpönt, wikipedia als Quelle für Quellen anzugeben.
Aber – für einen ersten Überblick reicht es allemal, weiterführende Quellen sind vorhanden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinn_(Wahrnehmung)

Marshall McLuhan. Die Gutenberg-Galaxis: Die Entstehung des typographischen Menschen. 1962, (2011 letzte Neuauflage).
Gibt es im gut sortierten Archiven oder Hochschulbibliotheken oder hochpreisig als „Ausgabe im Schmuckschuber“.
Marshall darf nicht auf das „Global Village“ reduziert werden. Von ihm stammen weitere fundamentale Erkenntnisse zur Thematik Kommunikation und Medien (Das Medium ist die Botschaft.) Als weiterer Appetithappen folgendes hellsichtiges Zitat:
Wenn eine neue Technologie einen oder mehrere unserer Sinne in die soziale Welt ausdehnt, werden sich neue Verhältnisse zwischen allen unseren Sinnen ergeben.“  Gutenberg Galaxy 1962, S. 41


Giacomo Rizzolatti, Corrado Sinigaglia: Empathie und Spiegelneurone: Die biologische Basis des Mitgefühls. Frankfurt am Main.: Suhrkamp, 2008, ISBN 978-3-518-26011-1
Giacomo Rizzolatti et. al. gelten als diejenigen, die die Entstehung von empathischem Verhalten durch Experimente mit Primaten als erste nachgewiesen haben.

Der sogenannte „Carpenter Effekt“ (William Benjamin Carpenter, 1852): Beim Sehen oder bei der Vorstellung einer Bewegung können – bei der/dem Beobachter:in unbewusste Kontraktionen der für diese Bewegung benötigten Muskulatur ausgelöst werden (idiomotorische Reflexe).
In seiner Zeit waren diese Effekte als plausible Erklärung von „übersinnlichen Phänomenen“ wie Tischerücken, Pendeln in Séancen bekannt.
Vgl.: Wolfgang Prinz: „Ideomotorik und Isomorphie“ in Otmar Neumann (Hrsg): „Perspektiven der Kognitionspsychologie“ 1985.

Ein Leckerbissen (für Kenner) ist die Originalschrift von 1852. „Carpenter, William Benjamin: On the influence of suggestion in modifying and directing muscular movement, independently of volition. In:  Royal Institution of Great Britain.1852. Weekly Evening Meeting, Friday, March, 12., 1852, S. 147‑153.“
Unter dem folgenden Link das Original in Kopie zu finden (Abruf am 28.10.2024, 23:12).
https://www.sgipt.org/medppp/psymot/carp1852.htm

https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/ideomotorisches-training/5931

Wird auch in der Filmwirtschaft genutzt:
https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/c:carpenter8209effekt-9339

 Die Gefühlsansteckung
Max Scheler: „Wesen und Formen der Sympathie.“ 2. Auflage. F. Cohen, Bonn 1923
Scheler verwendet den Begriff „Gefühlsansteckung“ ähnlich wie Carpenter (früher) und Rizzolati (später). Bekanntheit erlangte der Begriff „Gefühlsansteckung“ durch die Übersetzung durch die Psychologin Elaine Hatfield 1994.
Elaine Hatfield, (Cacioppo, J. T., & Rapson, R. L) die in Ihrem Buch Hatfield, E
.,. (1994). Emotional contagion. Cambridge University Press

Kommentar HWK: Carpenter und -> Scheler müssen wiederentdeckt werden, um Kommunikation und Sozialität von Menschen auch neurophysiologisch besser zu verstehen.

Charles Darwin
Als Schlüsselwerk der Emotionspsychologie gilt sein Werk „The Expression of the Emotions in Man and Animals 1872 (Dtsch: Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren„).
Das Buch erschien ein Jahr nach Herausgabe des bekannteren Werkes: „The descent of man (1871)“ (Dtsch: „Die Abstammung des Menschen„) und leitete über die Ähnlichkeit von Mimik bei Primaten und Menschen die Verwandschaft und geneinsame Abstammung statt.

Geschenk Tipp: Das Buch „The Expression of the Emotions in Man and Animals 1872“
wurde wieder aufgelegt bei Springer Nature im Oktober 2022.
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-37869-1_12

Daniel Kahneman (dtsch.:)
Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler, München 2012.
In vielen unserer Podcasts zitiert (Bitte Suchfunktion nutzen). Entthronte zusammen mit seinem Kollegen Tversky den zweckrational entscheidenden „Homo Oeconomicus“ und führte das Modell der Entscheidungen als ein Zusammenspiel von intuitivem Denken / Handeln und gründlichem Nachdenken ein.

Rolf Dobelli: „Die Kunst des klaren Denkens“2011, Hanser Verlag.
In 52 kurzen Kapiteln werden Denkweisen beschrieben, die als systemstische „Denkfehler“ bezeichnet werden.
In dem Wikipedia Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kunst_des_klaren_Denkens:_52_Denkfehler,_die_Sie_besser_anderen_überlassen
werden diese gelistet. Aufmerksamen Hörer:innen und Leser:innen kommen diese bekannt vor, sind sie doch die „Cognitive Biases“ von denen auch im Podcast berichtet wurde – und sich auch „im Kahneman“ wiederfinden. Ideales Büchlein für die leichtfüssige Einführung ins Thema mit vielen Beispielen und Anekdoten.

Paul Ekman
Die empfehlenswerte Literaturliste von Ekman sprengt diesen Podcast. Daher unsere Empfehlung, sich auf der Seite der Ekman Group umzusehen:
https://www.paulekman.com
Um die eigene Fähigkeit, Micro-Expressions zu testen, gibt es kostenlos diese Seite…
https://www.paulekman.com/quizzes/micro-expressions-test/
Möchte man es lernen: Der Lehrgang ist nicht kostenlos.

Lie to me
Aus „Paul Ekman“ wurde die fiktive Figur „Cal Lightman“, aus der Ekman Group die Lightman Group. Besonders zu emfehlen die erste Staffel der Serie, weil es viele Erklärungen und Beispiele zu sehen sind.
Mehr dazu hier in der IMDb:
https://www.imdb.com/title/tt1235099/

Mimikresonanz©
Einen integrativen Ansatz (Körpersprache und Mimik) verfolgt Dirk. W. Eilert (Spandau). Seine Profibox ist eine lose Blatt Sammlung, die Kompendium und Übungsblätter gleichzeitig sind. Empfehlenswert für Trainer / Coaches / Interessierte.
Dirk W. Eilert, „Körpersprache entschlüsseln & verstehen.
Die Mimikresonanz-Profibox“

Junfermann Verlag Paderborn 2020

Gesichter erkennen
oder auch nicht:
Amazon’s face ID tool mismatched 28 members of Congress to mug shots: ACLU
https://www.reuters.com/article/technology/amazons-face-id-tool-mismatched-28-members-of-congress-to-mug-shots-aclu-idUSKBN1KG1KN/

Mimik mit KI erkennen – Anwendung Marktforschung
„Die Mimikanalyse kann Emotionen in Echtzeit erfassen, ohne Verzerrungen durch nachträgliche Befragungen oder störende Verkabelung. Um die emotionalen Reaktionen auf Werbung oder Produkte in Erfahrung zu bringen, sind lediglich Webcam und Internetverbindung notwendig.
Für die Mimikanalyse werden wichtige Gesichtsregionen wie Augen und Mundwinkel detektiert und Veränderungen in diesen Regionen im Hinblick darauf, wie angenehm bzw. unangenehm das gerade Erlebte empfunden wird, interpretiert“
Die Methode hat das NIM gemeinsam mit dem Fraunhofer IIS in Erlangen und Emotionspsychologen der Universität Genf entwickel: .
https://www.nim.org/forschung/uebersicht-forschungsprojekte/forschungsprojekt/mimikanalyse

War nicht Bestandteil dieser Folge, trotzdem interessant – was zum Lesen und Ausprobieren.
Fraunhofer IIS Erlangen
„Zum Jubiläum neu aufgelegt: die Gesichtsanalyse mit Künstlicher Intelligenz. Kontaktlose Emotionsanalyse: Die Zukunft der Mensch-Technik-Interaktion.“
https://www.iis.fraunhofer.de/de/ff/sse/affective-computing/facial-analysis-solutions.html

Bildquelle

Das Folgenbild, ein Selbstportrait, stammt von Judith Leyster (1609-1660), Schülerin von Frans Hals. Sie war eine der wenigen Künstlerinnen des Flämischen Barock, deren Bilder heute noch existieren. Sie war zu ihrer Zeit für Portraits bekannt, die in einem eigenen, fast schon impressionistischen Stil die Emotionen von Menschen zeigen – das Folgenbild malte sie 1630.