Töricht? Gedankenlos? Weise? Über menschliches Verhalten in Gruppen.

Hieronymus Bosch. Ausschnitt aus "Garten der Lüste": DerVogelschwarm.
Hieronymus Bosch. Ausschnitt aus "Garten der Lüste": DerVogelschwarm.

(S2/E13) The Wisdom of the Many. Die Weisheit der Vielen, die gemeinsam Phantastisches schaffen können, ohne viele Worte. Die Schwarmintelligenz von Ameisen, Vögeln oder Bienen – sind sie zusammen “das Gehirn”? Und was ist mit Menschen in Massen, die blitzschnell über Emojis im Web schlechte Laune oder Wut verbreiten. In Echokammern zusammengepfercht ohne viel nachzudenken Parolen nachsprechen und -denken. Weshalb verhalten wir Menschen uns manchmal in Gruppen oder eine Menschenmasse töricht oder gedankenlos? Oder auch weise, nachdenklich, klug und sozial handelnd?

Wir bringen Licht ins Dunkle, schauen bei den Ameisen und den Vögeln vorbei. Wir (nach)erleben, dass Menschen vielfältig und klug sein können – oder auch einfältig. Und haben Ideen, weshalb das so sein könnte.

Irgendwie kennt man die Begriffe: Die “Schwarmintelligenz” zum Beispiel – illustriert mit wunderbaren Bildern von Vogel oder Fischschwärmen, die auch ohne gut gemeintes Mikromanagement von Vorgesetzten selten genug gegen Korallen schwimmen oder dem Riffhai ins Maul. Es gibt die faszinierenden Geschichten von Ameisen die sich nichts vom rechten Weg abbringt und die bei Störungen schnell neue Pfade bahnen.

Und können das Menschen auch? Oder sind wir besser dran mit Brainstorming, Kommunikation, Abstimmungsgesprächen, und Arbeitsanweisungen? Weshalb spricht man bei uns Menschen von der “Weisheit der Vielen”, “the wisdom of the many”.
Ist das das Gleiche oder etwas anderes als Schwarmintelligenz?

Wir zeigen mit Geschichten und Studien, dass sich Schwarmintelligenz und Wisdom of the Many grundlegen unterscheiden. Und selbst für psychologische Massenphänomene bleibt genügend an Infos, um auch dieses Thema genauer zu betrachten. Es könnte etwas dran sein an der Überlegung, dass man nicht dumm geboren, sondern dumm gemacht wird. Von Menschen, die daraus persönlichen oder politischen Nutzen ziehen. Oder auch von solchen, die bereits dumm gemacht wurden.

Quellen

Jan Lorenz, Heiko Rauhut, Dirk Helbing (2011): Proceedings of the National Academy of Sciences. How social influence can undermine the wisdom of crowd effect

Studie von Lorenz, Rauhut, Helbig am Institut für Soziologie der Universität Zürich / der ETH Zürich: “Dieser “Wisdom of Crowds”-Effekt wurde kürzlich durch Beispiele von Aktienmärkten, politischen Wahlen und Quizshows bestätigt [Surowiecki J (2004) The Wisdom of Crowds]. Im Gegensatz dazu zeigen wir anhand von Experimenten (N = 144), dass selbst leichter sozialer Einfluss den Wisdom of Crowd-Effekt bei einfachen Schätzaufgaben untergraben kann.”
https://www.news.uzh.ch/de/articles/2013/die-weisheit-der-vielen.html
https://www.webofscience.com/wos/author/record/F-6409-201

Prof. Dr. Gert G. Wagner (2021): “So funktioniert die “Weisheit der vielen” wirklich”
Prof. Wagner ist Senior Research Fellow in der Infrastruktureinrichtung “Sozio-oekonomisches Panel” am Institut der Deutschen Wirtschaft, Berlin.
https://www.diw.de/de/diw_01.c.822994.de/nachrichten/so_funktioniert_die____weisheit_der_vielen____wirklich.html

Volker Walter, Michael Koelle, David Collmar (2022): “Measuring the Wisdom of the Crowd: How Many is Enough?”
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s41064-022-00202-2.pdf

James Surowiecki(2005): Die Weisheit der Vielen, warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nützen können (Originaltitel: The wisdom of crowds, übersetzt von Gerhard Beckmann).
Viele Beispiele (u.a. das “U-Boot” Beispiel aus dem Podcast.

Ernst Kurzmann (2017): Kanban und Schwarmintelligenz auf Führungsebene. in: Logistik Know How, 18.9.2017
https://logistikknowhow.com/planung-und-organisation-eines-lagers/kanban-und-schwarmintelligenz/

Sir Francis Galton (1907): The Wisdom of the Many.
Francis Galton hat den Begriff geprägt und bezieht sich auf ein von ihm durchgeführtes Experiment auf einem Viehmarkt (Bauernmarkt, Messe), bei der er das Gewicht eines Ochsen von Besuchern einschätzen lies. Und dies bis auf ein Pound (Maßeinheit “lbs”. etwa 0,454 Kg) genau gelang.

Byed Yong (2013): The Real Wisdom of the Crowds.
In diesem Artikel fanden wir – zu spät für die Aufnahme – die exakte Zahl an Ochsengewicht-Schätzern (n=787).
Ebenso eine plausible Erklärung wie Schwarmintelligenz – eigentlich Schwarmverhalten – bei Fischen funktioniert. Und eine fast schon Schmähung des Kollegen Galton, dass “diese alte Geschichte mit dem Ochsenschätzen” eigentlich recht langweilig sei. Nun gut, dafür wurden in dem Artikel von National Geographic “Wisdom of the Many” und “Schwarmintelligenz” nicht auseinandergehalten.
https://www.nationalgeographic.com/science/article/the-real-wisdom-of-the-crowds

Byed Yong bezieht sich auf den folgenden Artikel:
Berdahl, Torney, Ioannou, Faria & Couzin (2013). Emergent Sensing of Complex Environments by Mobile Animal Groups.

https://kops.uni-konstanz.de/server/api/core/bitstreams/70f5227d-0b5a-42a6-961d-db714642cb45/content

Episodenbild

Hieronymus Bosch hat unserer Meinung nach das perfekt passende Bild für diese Folge gemalt: Auf dem linken Flügel – als “Garten Eden”  benannt – seines Triptychon “Garten der Lüste” (circa 1450 –1516) findet sich in der oberen Ecke links die Illustration eines Vogelschwarms, der durch ein fast schon kubistisches Gebilde fliegt. Schaut man genauer hin, scheint es den Vögeln Spass zu machen, denn sie stehen am Fuße des Gebildes in Reihen an und warten auf den Abflug.

Wir gönnen uns das ganze Bild, den Triptychon – das Episodenbild werden Sie schon ganz alleine finden.

Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/38/Jheronimus_Bosch_023.jpg