(S1/E33) Nach der Dating/Ghosting-Folge 32 gehen wir den Dating-Plattformen und Apps auf den Grund – sich einer Dating App anzuvertrauen, kann sogar viele Gründe haben. Ein Ziel könnte sein, einen / eine Lebensabschnittgefährt:in zu „gewinnen“. Wobei dieser Lebensabschnitt auch zeitlich beliebige Zielgrößen annehmen kann, die von „bis fast zum Frühstück“ oder „für immer und ewig“ reichen könnten.
Sich einer Dating App anzuvertrauen bedeutet auch, sich in die Hände von mehr oder minder guten Rechenregeln oder Matching Algorithmen zu begeben. Denn die werden doch bestimmt aus den Daten die richtigen Traumpartner:innen „backen“, oder?
Nun hängt es aber nicht nur von diesen Rechenregeln ab, wen man vorgestellt bekommt. Sondern, erstaunlicherweise, auch
1. von den eigenen Wünschen, dem eigenen Verhalten, Vorlieben, Ehrlichkeit, …
2. genau diesen Aspekten auch des potentiellen Gegenstücks und
3. den Zielen der Dating App / der Dating Plattform.
Genau darum geht es, um die Innereien und das Wirken einer solchen Plattform / App.
Wir stellen die Arbeiten eines Teams von drei Wissenschaftler:innen der FU Berlin vor: Lucas Friedrich Mertens, Erik Christian Müller, und Johanna Sebastian haben sich fundiert mit dem Thema beschäftigt, eine Plattform gebaut und das Treiben auf dieser Plattform systematisch und empirisch beobachtet. Es geht dabei nicht nur um’s „Matchen“, sondern vor allem um die „Happiness“ mit dem Match.
Anmerkung: Es sind weder Mensch noch Tier zu Schaden gekommen – die Maschine ist von „Agenten“ besiedelten, so heißen die elektronischen Repräsentant:innen von Partner(schaft) Suchenden.
Die Suche selbst fand sodann als Simulationen auf dieser Maschine statt.
So gestattet „Der Einfluss von Matching-Algorithmen auf den Erfolg einer Dating-App“ (so der Titel der Arbeit) weit mehr als den Einblick in das Wirken von Parship, Tinder und Co. Denn diese öffnet für die Sozialwissenschaften einen faszinierenden Blick in maschinelle Experimente mittels Agenten mit menschlichen Eigenschaften.
Die Quellen zur Episode
- Lucas Friedrich Mertens, Erik Christian Müller, Johanna Sebastian: „Der Einfluss von Matching-Algorithmen auf den Erfolg einer Dating-App„
15th International Conference on Wirtschaftsinformatik, March 08-11, 2020, Potsdam, Germany (Konferenzpapier). - Das folgende Chart (aus dem Konferenzpapier) zeigt die Systemkomponenten der Simulations-Plattform.
- Das Software Tool, mit der die Simulation erstellt wurde, ist
https://www.anylogic.com
Die Webseite https://www.anylogic.com/resources/articles/ listet wissenschaftliche Arbeiten auf, die mit diesem Tool erstellt wurden.
- Elo Score im Dating – nicht mehr eingesetzt bei Tinder?
„Tinder says it no longer uses a ‘desirability’ score to rank people“, by Ashley Carman, Mar 15, 2019:
https://www.theverge.com/2019/3/15/18267772/tinder-elo-score-desirability-algorithm-how-works
Weiteres…
- Das Video „Unsere Dating App“ des Aachener Youtubers und Filmemachers Julien Bam von März 2017 stellt die optimale Dating-Maschine vor. War Julien Bam der Zeit voraus?
- Bemerkenswert süchtelnd: Die Dopamin Videos auf ARTE.
Wir empfehlen die berühmt berüchtigte Tinder Folge.
Swipen kurz unterbrechen, hier gibt es Brainfood und tiefe Einblicke in’s allzu menschliche Gehirn.
Das Erfolgspotential von Personen mit einem sehr hohen Elo-Score wird auch in Folge 21 von achwas.fm behandelt. („Sozialer Vergleich und supernormale Attrappen„).
- Wir erwähnten, dass Parship sich neu erfunden hat. Natürlich trauen wir unserem geschätzten Publikum zu, selbständig die Webseiten aufzusuchen. Das brächte uns aber um das Vergnügen, unseren Funde passend zur Folge stolz zu präsentieren. Was für ein Match, achwas.fm und diese Seite….
https://www.parship.de
Keine Werbung (unbezahlt und ungezwungen), sondern Dokumentation:
Zum Episodenbild
Das Episodenbild zeigt ein um 1480 entstandenes Tafelbild mit dem Titel: „Liebespaar“, genannt das Gothaer Liebespaar. Über den Köpfen sind zwei Spruchbänder in Alemannisch zu sehen, die in ihrer Länge in einen Tweet oder eine WhatsApp passen würden und heutzutage wohl als eine Konversation nach einem „Match“ auf einer Datingplattform zu lesen wären.
- Frau (Spruchband der rechten Bildseite): Sye hat uch nyt gantz veracht Dye uch daß schnurlin hat gemacht.
- Mann (Spruchband der linken Bildseite): vn byllich het Sye eß gedan want Ich han eß sye genissē lan.
Ins heutige Deutsch übertragen lautet das Spruchband in etwa wie folgt:
- Frau: Sie hat Euch nicht ganz verachtet, die Euch das Schnürlein hat gemacht. (frei übersetzt: Sie, die Euch das Schnürlein hat gemacht, hat Euch sehr gern.)
- Mann: Und billig hätt´ sie es getan, weshalb ich habe es sie genießen lassen. (frei übersetzt: Und mit Recht hat sie es getan, weshalb ich habe es ihr wohl ergehen lassen.)
Das erwähnte „Schnürlein“ war eine golddurchwirkte Kordel, die eine ähnliche Symbolik wie ein Verlobungsring hatte.
Quelle: Wikipedia Artikel, abgerufen am 20.3.2022, 11:30.
Es gibt einige Besonderheiten dieses Tafelbildes die sich u.a. bei Wikipedia und einem Ausstellungskatalog der Stiftung Schloß Friedenstein Gotha / Schloßmuseum nachlesen lassen. Es lohnt sich, denn Wissenschaftler wissen nicht genau, wen es zeigt – und auch der Künstler bleibt geheimnisvoll: Es wird dem Zeichner, Maler und Kupferstecher „Hausbuchmeister“ (Zeichnerhand II, siehe Quellen zu Beginn des Absatzes) zugeschrieben. Der Name des Zeichners ist nicht bekannt, seine spätmittelalterlichen Werke schon.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gothaer_Liebespaar.jpg