In der ersten Fake News Folge haben wir ja bereits einige der geradezu wahnwitzigen Geschichten erzählt, die als Fake News verbreitet werden und dabei an der Oberfläche dessen gekratzt, was man als „die Historie der Lügengeschichte“ bezeichnen könnte. Nun ist aber Schluss mit lustig: wir kümmern wir uns um die Wissenschaft! Das ist gar nicht so einfach, denn mittlerweile haben sich Fake News zu einem veritablen Forschungsthema ausgewachsen. Mittlerweile werden jedes Jahr 30.000 Artikel, Bücher, Buchkapitel zum Thema Fake News veröffentlicht.
Dabei ist sicherlich unstrittig – egal in welcher Disziplin – dass Fake News toxisch sind und dass sie eigentlich verboten gehören – ein Sachverhalt übrigens, den der Schöpfer der „10 Gebote“ schon bei ihrem ersten Launch vor mehr als zweitausend Jahren ganz klar auf dem Schirm hatte.
Dass Fake News aber mehr als ein Special-Interest-Thema für Netzaktivisten sind, wird schnell klar, wenn man sich vor Augen hält, welche Disziplinen dabei gerade mitforschen und welche Forschungsfragen dabei jeweils im Mittelpunkt stehen:
- Pädagogik – wie kann man Kinder davor schützen, Fake zu glauben?
- Medienwissenschaften – wie erreicht man, dass die Wirkung von Fake News neutralisiert werden kann?
- Journalismus – welche Regeln sollten Journalist/innen befolgen, welches Verhältnis zur Wahrheit sollten sie haben?
- Psychologie – was unterscheidet echte von falschen News, wer ist anfällig, sie zu glauben?
- Politikwissenschaften – wie wirkt sich die Flut an Falschinformationen von politischen Akteuren auf die Zivilgesellschaft aus?
- Kommunikationswissenschaften – wie funktioniert Propaganda mit Fake News?
- Informatik – wie können Fake News durch Skripte und Bots verbreitet werden?
- KI-Forschung: kann man Fake News durch maschinelles Lernen identifizieren?
Mindestens einige dieser Fragen werden wir in unserer Folge adressieren und es kann kein Zweifel bestehen, dass die Antworten für uns alle relevant sind. Im Mittelpunkt der Folge steht dabei eine mittlerweile fast schon berühmte Forschungsarbeit aus dem Jahr 2018, in der die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Fake News mit echten News verglichen wurde. Und das Ergebnis entspricht ganz klar dem geflügelten Wort…
Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht.
unbekannt
Obwohl die Herkunft dieses Sinnspruchs nicht wirklich klar ist, wird es gerne wahlweise Mark Twain oder Winston Churchill zugeschrieben. Das wiederum klingt plausibel, ist aber nicht wahr – womit schon einige wichtige Zutaten für eine Fake News vorhanden sind. Einfacher gesagt: Die Fakes sind überall.
Auf eine Wendung unserer Episode möchten wir ausdrücklich hinweisen, mit der wir uns selbst überrascht haben – und die die Idee für ihren Titel gestiftet hat: Neuerdings gibt es ernst zu nehmende Hinweise, dass Menschen, die bereit sind „Bullshit“ zu glauben, besonders anfällig für die Einwirkung von Fake News sind. Bullshit ist dabei nicht einfach dummes Zeug, sondern so etwas wie schwulstiges Geschwätz, dass sich den Anschein von Wichtigkeit und Wissenschaftlichkeit gibt, eigentlich aber ziemlich sinnlos ist. Wir folgen diesem Gedanken und überlegen, was das mit Verschwörungstheorien und ihrem kometenhaften Erfolg in den letzten Jahren zu tun haben könnte…
Quellen zu Episode:
- Die englischsprachige Wikipedia betreibt eine permanent aktualisierte Liste mit Fake News Websites:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_fake_news_websites
- Eine gute Adresse für Faktenchecks ist natürlich correctiv.org:
https://correctiv.org/faktencheck/neueste-artikel/
- Der im Podcast erwähnte Überblicksartikel zur Fake-News-Forschung von Catherine Beauvais:
Beauvais, C. (2022). Fake news: Why do we believe it?. Joint Bone Spine, 89(4), 105371.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9548403/
- Die legendäre Studie aus „Science“ aus dem Jahr 2018, die wir im Podcast besprechen:
Vosoughi, S., Roy, D., & Aral, S. (2018). The spread of true and false news online. science, 359(6380), 1146-1151.
https://securityandtechnology.org/wp-content/uploads/2020/07/1146.full_.pdf - Die Aufgaben des Cognitive Reflection Tests wurden in diesem Beitrag verwendet. Sie wurden in diesem Artikel zuerst veröffentlicht:
Frederick, S. (2005). Cognitive reflection and decision making. Journal of Economic perspectives, 19(4), 25-42.
Online unter https://pubs.aeaweb.org/doi/pdf/10.1257/089533005775196732?TB_iframe=true&
- Und diese Studie hat den Test dann verwendet, um Anfälligkeit für Fake News zu untersuchen:
Pennycook, G., & Rand, D. G. (2019). Lazy, not biased: Susceptibility to partisan fake news is better explained by lack of reasoning than by motivated reasoning. Cognition, 188, 39-50.
https://static1.squarespace.com/static/51ed234ae4b0867e2385d879/t/5b43b48b03ce6471753c78ba/1531163796071/2018+Pennycook+Rand+-+Cognition.pdf
- Der Beitrag von Carl Sagan über die Entlarvung schwulstiger Texte (baloney)
Sagan, C. (1996). The Demon-Haunted World. Science as a Candle In The Dark. Kapitel 12: „The fine art of baloney detection.“
Online unter http://w3.inf.fu-berlin.de/lehre/WS05/19616-K/materials/Baloney.pdf
- Die Studie zum Thema Bullshit und Fake News, die wir am Ende der Podcastfolge erwähnen.
Pennycook, G., & Rand, D. G. (2020). Who falls for fake news? The roles of bullshit receptivity, overclaiming, familiarity, and analytic thinking. Journal of personality, 88(2), 185-200.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/jopy.12476? - Passend hierzu: Die Kunst, Bullshit zu erkennen von Mai Thi Nguyen-Kim auf ihrem youtube-Kanal maiLAB:
https://www.youtube.com/watch?v=qTKat-O7F7g
Das Episodenbild:
Neben dem Baron Münchhausen gibt es vor allem eine literarische Figur, die als Verkörperung der Probleme, in die man sich mit Lügen verstricken kann, weltweit bekannt geworden ist. Natürlich: wir meinen den berühmten „Pinocchio“ des italienischen Schriftstellers Carlo Collodi. Wir haben allerdings auf die süßlich-dümmliche Variante von Walt Disney verzichtet und gleich auf das Original aus einer der ersten Ausgaben des Pinocchio aus dem 19. Jahrhundert zurückgegriffen. Sie wurde von dem italienischen Techniker und Cartoonist Enrico Mazzanti illustriert und unser Bild wurde aus dem Titel der Ausgabe entnommen: Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pinocchio.jpg