Den Fährtenlesern auf der Spur

Teil der Tabula Peutingeriana
Teil der Tabula Peutingeriana (spätes 12. Jahrhundert)

(S1/E02)  Am 27. Januar 2018 um 19:24 Ortszeit teilte der 20 jährige Nathan Ruser aus Canbera, Australien, in einem Tweet brandgefährliche Informationen: Auf der frei zugänglichen Landkarte einer Fitness App sind geheime US Militär Standorte deutlich zu identifizieren. Vermeintlich harmlose, anonymisierte Bewegungsdaten zeichnen ein Bild von Laufwegen und Strassennetzen.

In dieser Folge nimmt …achwas?! selbst die Spur der (un-) heimlichen Fährtenleser auf, die in unseren Apps und im Web werkeln. Wir erzählen, wie wenig es braucht, um sehr viel über uns und unser Leben zu erfahren.

Unsere Spurenaufnahme führt uns weiter auf die Fährte des kalifornischen Unternehmens SafeGraph*, das wahre Informationsschätze aus wenigen anonymisierten Geolokationen (also Ortung eines Smartphones mit Zeit und Standort) unter Wahrung des strengen kalifornischen Datenschutzes macht. Wie passiert das, ohne irgendwelche persönlichen Daten abzufragen? Wie macht SafeGraph* das, dass die Käufer der Datensätze trotzdem erfahren können, wo Menschen wohnen, einkaufen, ihre Freizeit verbringen, ob sie italienische Restaurants oder den Schnellimbiss bevorzugen, welche Automarke sie fahren – oder ob eher Frauen oder Männer öffentliche Verkehrsmittel nutzen, um ins Büro oder die Fabrik zu kommen?

Manchmal werden diese Infromationen nicht gekauft, sondern „ge-leakt“, kommen über eine undichte Stelle (Leak) an interessierte Kreise. Ein solches Leak ereilte die Zuhörer der Brand-Rede Donald Trumps vor dem Capitol. Als am 6.1.2021 hunderte Menschen das Capitol erstürmten, hinterließen ihre Smartphones Datenspuren und „petzten“ eine Menge sehr persönlicher Informationen** an die New York Times.

Anmerkungen :
*SafeGraph ist nicht im Geltungsbereich der DSGVO (EU) tätig.
** Ein Leak dieser Art an die Presse wird durch unsere Datenschutzgesetze und die DSGVO verhindert. Die Nutzung von Geolokationen durch Polizei und Staatsanwaltschaft bedarf eines Richterlichen Beschlusses.

Die Geschichte zum Beitragsbild: 

Wo bin ich – wohin muss ich laufen, reiten, fahren, gehen, um mein Ziel zu erreichen? Unser Wunsch nach Orientierung über unsere Sinne (Auge, Ohr, Tastsinn, Gleichgewichtssinn) und unseres Gedächtnisses bekam schon früh Prothesen durch Zeichnungen und Landkarten. Eine der umfassendsten Landkarten war die Tabula Peutingeriana, deren Original um 345 n.Chr. erstellt wurde. Sie wurde als Wege-, Orts- und Strassenverzeichnis des gesamten Römischen Reichs gezeichnet. Landmarken und Strassen sind nicht massstabgetreu, sondern eher wie die Schemazeichnungen von „London Tube“ oder „Metro Paris“ angelegt.

Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Tabula_Peutingeriana

Quellen

Nathans’s Tweet
vom 27.1.2018 über geheimnisvolle Spuren auf der Landkarte einer Fitness-App https://twitter.com/Nrg8000/status/957326421684207616

Mehr über Nathan Ruser
https://money.cnn.com/2018/01/29/technology/strava-nathan-ruser/index.html

https://taz.de/Menschenrechtsverletzungen-in-China/!5735542/

Die Karte der Fitness App STRAVA
https://www.strava.com/heatmap#7.00/-120.90000/38.36000/hot/allDie Fitness App STRAVA weisst darauf hin, dass die Nutzung als Mapping Tool optional ist.

SafeGraph Inc. – brilliant, wie man aus Standort, Zeit und Offenen Daten Informationen ernten kann.
https://www.safegraph.com/blog

Please Rob Me: Das Projekt ist fast schon als historisch zu bezeichnen (aus dem Jahr 2011), das Problem der Privatheit des eigenen Standorts ist aber heute so aktuell wie damals. Auf der Seite sind durchaus lesenswerte Artikel zum Thema „Locational Privacy“ verlinkt. https://pleaserobme.com/

New York Times: They Stormed the Capitol. Their Apps Tracked Them.
Times Opinion was able to identify individuals from a trove of leaked smartphone location data.     https://www.nytimes.com/2021/02/05/opinion/capitol-attack-cellphone-data.html?sara_ecid=nl_upd_1jtzCCtmxpVo9GAZr2b4X8GquyeAc9&nlid=h0s9e6sz

Bonus Material:

SPIEGEL ONLINE
Wo die schöne Welt der neuen Mobilität endet

Carsharing-Anbieter wie WeShare, Share Now oder Miles meiden ärmere Stadtteile. Dafür fluten sie mit ihren Wagen angesagte Innenstadtviertel – und verschärfen dort manche Verkehrsprobleme, anstatt sie zu lösen.

https://www.spiegel.de/auto/carsharing-share-now-weshare-miles-und-co-wo-die-welt-der-neuen-mobilitaet-endet-a-5c431f05-95b5-46d9-a24d-27e3dfda0d3c