(S1/E01) 2010 öffnete Facebook eine Schnittstelle, über die Dritte Profile und Daten der Benutzer*innen aus der Social Media Plattform auslesen konnten. Wenige Jahre später machen sich Psycholog*innen und Data Scientists daran zu demonstrieren, was man anrichten kann, wenn man Persönlichkeitstests (“Psychographie”) und Methoden des Online-Marketings (“Targeting”) an einer solchen Schnittstelle kombiniert – mit Daten aus 50 Millionen geklauter Profile… Data Science meets Psychology.
Das Ergebnis der in dem Skandal angewendeten Methoden war im wahrsten Sinn des Wortes weltbewegend, nämlich der “Brexit” und die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten – möglicherweise. Denn: ob und wie stark diese Jahrhundert-Entscheidungen wirklich durch psychografisches Targeting als Propagandawerkzeug beeinflusst waren, wird wahrscheinlich nie ganz aufzuklären sein. In wissenschaftlichen Studien wurde allerdings klar belegt, dass die von dem Unternehmen angebotenen Dienstleistungen, die auf der Durchleuchtung der Persönlichkeit von Personen beruhen sollten, durchaus funktionieren.
Wir werden über diese Forschungsarbeiten in späteren Beiträgen noch berichten, aber in jedem Fall ist der “Cambridge Analytica Skandal” eine wahrhaft würdige Geschichte zum Auftakt unseres Podcasts.
Quellen
Wer zum Thema Cambridge Analytica recherchiert, kann ob der Menge der Treffer leicht verzweifeln. Die besten Beiträge, die wir zum Einstieg in das Thema empfehlen können, sind diese:
- Die Version des Enthüllungs-Artikels, die im Guardian 2018 veröffentlicht wurde. ‘I made Steve Bannon’s psychological warfare tool’: meet the data war whistleblower.
- Eine schöne, sachliche und übersichtliche Zusammenfassung des ganzen Skandals auf gut Deutsch von netzpolitik.org. Was wir über den Skandal um Facebook und Cambridge Analytica wissen
- Christopher Wylie, der die Affäre als Whistleblower ans Tageslicht gebracht hat, schreibt im “Guardian”: Why I broke the Facebook data story – and what should happen now..
Die Geschichte zum Beitragsbild:
Die Sehnsucht der Marketing-Spezialisten, aus Hirnforschung und Psychologie magische Rezepte für den Abverkauf von Waren und Dienstleistungen zu entwickeln, wird heute gerne in Neuro-Blabla-Modelle eingepackt. Aber sie ist schon alt. Psychographie und Werbung werden beispielsweise in diesem historischen Poster der Firma “Hudsons Soap” verknüpft. Es nimmt Bezug auf eine im 19. Jahrhundert weit verbreitete – übrigens völlig falsche – Vorstellung, der zufolge verschiedene Charaktermerkmale in bestimmten Hirnarealen lokalisiert sein sollten. Hiermit eng verbunden war die – übrigens ebenso falsche – Idee, dass man aus der Schädelform auf Charakter von Personen schlussfolgern könnte. “Phrenologie” war der Name dieser Lehrmeinung, die – ungeachtet ihrer Popularität in der Wissenschaft – nicht mehr als eben dies war (also eine Meinung). In unserem Beitragsbild sind es die Eigenschaften eines wahrhaft wundervollen Seifenpulvers, die mit durchaus ironischem Unterton in unterschiedlichen Hirnarealen angesiedelt werden.
Bildquelle: https://wellcomecollection.org/works/gs3adbae