Everybody lies. Das musst Du nicht glauben!

Jan Vermeer: Briefleserin am offenen Fenster 1659
Jan Vermeer: Briefleserin am offenen Fenster 1659 *ca. 1659

(S2/E09) Jeder Mensch lügt, glauben Sie nicht? achwas.fm ist auf Entdeckungsreise: Wir holen Zeugen und Zeugnisse an Bord. Beschäftigen uns mit der wichtigen Idee, wer denn die Wahrheit über menschliches Verhalten dringend braucht, ob Wahrheit Kitt oder Klebstoff unseres Zusammenlebens ist.
Als Quellen für die Suche nach der Wahrheit über unsere Spezies kommen medizinische und psychologische Forschung in Betracht. Wir stellen vor, welche Anstrengungen unternommen werden, um deren Qualität zu verbessern.

Sind wir selbst eigentlich in der Lage, wahrheitsgemäß Auskunft über uns zu geben? Dieser Frage widmen sich Veröffentlichungen zweier Unternehmen. Sie lassen uns teilhaben an den Erkenntnissen, die das Web liefern kann.

  • Stimmt denn die Schlussfolgerung von Google, dass die Analyse der Suchen “unsere dunkelsten Geheimnisse enthüllt”, weil jedermensch lügt?
  • Oder liegt die Dating-Plattform OkCupid eher richtig, die mit einem Augenzwinkern titelt: “Wer wir sind – wenn wir denken, dass niemand zuschaut?”.

Wir stellen und beantworten die Frage, ob diese Big Data Analysen gedacht sind, oder zumindest genutzt werden können, das Wissen über uns Menschen und unser Verhalten auch im wissenschaftlichen Sinne zu mehren. Oder nur vermittelt werden soll, dass unser Verhalten, als Big Data gesammelt, eher Futter für erschreckendes Clickbait oder auch Big Brother ist.

Quellen

  • Anmerkung: Der im Podcast erwähnte Ford war der Edsel – eine Automarke, die von Ford 1957 eingeführt wurde, und aus vielerlei Gründen scheiterte. Eigentlich ist die Geschichte eine ganze Folge wert. Robert Daines hat diese Industriegeschichte niedergeschrieben.
    Robert Daines: “Edsel – The Motor Industry’s Titanic. Academic Books 1994
    In Wikipedia finden Sie eine längere Ausführung zum Thema
    https://de.wikipedia.org/wiki/Edsel abgerufen 7.1.2023
  • “Falsche Erinnerungen?” Alleen Oeberst arbeitet gemeinsam mit Forscher*innen zu diesem Thema. Auf der Plattform ResearchGate kann man sich einen guten Überblick dieser Studien verschaffen. Hinweis: ResearchGate ist eine Quellensammlung wissenschaftlicher Publikationen und erst nach Anmeldung (kostenfrei) erreichbar. abgerufen 2.1.2023
    https://www.researchgate.net/publication/337697263_Collectively_biased_representations_of_the_past_Ingroup_Bias_in_Wikipedia_articles_about_intergroup_conflicts
  • Ein Klassiker zum Thema:
    Julia Shaw: “Das trügerische Gedächtnis. Wie unser Gehirn Erinnerungen fälscht“. Aus dem Englischen. Hanser Verlag München 2016
  • Und noch ein Klassiker, ein Sammelband von:
    Paul Watzlawick (Hrsg.): “Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus” Piper Verlag München 1985 (4. Auflage 2008)
  • Medizinische Forschung
    • Artikel von Paul Glasziou und Iain Chalmers: “Is 85% of health research really “wasted”?”
      Mit weiteren Quellen zur Metastudie inkl. Kritische Analysen in:
      https://blogs.bmj.com/bmj/2016/01/14/paul-glasziou-and-iain-chalmers-is-85-of-health-research-really-wasted/ abgerufen 2.1.2023
      Zitat:”If research was a transport business, we would be appalled by these data. Half the goods carried would be badly designed, half lost in shipping, and half of the remainder broken by the time they arrived—a truly heart breaking waste. The “good news” is that there is vast potential gain from salvage operations! Either rescuing sunken trials from the bottom of the ocean, or repairing the damaged ones, might retrieve up to 75% of the waste (we cannot retrospectively fix poor design).”
    • Kampagne von The Lancet zur Verbesserung der Qualität medizinischer Forschung: The Lancet REWARD (REduce research Waste And Reward Diligence) Campaign invites everyone involved in biomedical research to critically examine the way they work to reduce waste and maximise efficiency. abgerufen 2.1.2023
      https://www.thelancet.com/campaigns/efficiency
  • Psychologische Forschung
    • Nuijten, M.B., Hartgerink, C.H.J., van Assen, M.A.L.M. et al. The prevalence of statistical reporting errors in psychology (1985–2013). “The prevalence of statistical reporting errors in psychology (1985-2013)Abstract und weitere Studien. abgerufen 2.1.2023
      https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26497820/
    • Nuijten, M.B., Hartgerink, C.H.J., van Assen, M.A.L.M. et al. The prevalence of statistical reporting errors in psychology (1985–2013).
      Behav Res 48, 1205–1226 (2016). Ursprüngliche Veröffentlichung. abgerufen 2.1.2023
      https://doi.org/10.3758/s13428-015-0664-2

Big Data is it?

  • OkCupid erklärt Verhalten
    • Christian Rudder: “Dataclysm: Who We Are (When We Think No One’s Looking)”, 2014
      “Our personal data has been used to spy on us, hire and fire us, and sell us stuff we don’t need. In Dataclysm, Christian Rudder uses it to show us who we truly are.”
    • Interview mit Christian Rudder, Data Scientist und Co-Founder der Partnerbörse OkCupid
      https://mixpanel.com/blog/christian-rudder-on-okcupid-user-data-and-the-impending-ai-takeover/ abgerufen 2.1.2023
    • Video Interview mit Christian Rudder mit einigen Beispielen seiner Analysen, Youtube, abgerufen 7.1.2023
      https://www.youtube.com/watch?v=U0-PFWGQEAA
  • Tonnen von Data – Kaggle hat sie alle (fast). Datensätze zum Üben, Hypothesen testen, Spielen
    https://www.kaggle.com
  • Hier findet man die Quelle für die Anekdote von Thomas Wirth – der MMPI mit eingebauter “Lügen-Skala”:
    “MMPI (Minnesota Multiphasic Personality Inventory) ist das am weitesten verbreitete und am besten erforschte klinische Beurteilungsinstrument, das von psychiatrischen Fachkräften zur Diagnose von psychischen Störungen eingesetzt wird“. Quelle siehe Link zum Abschnitt, übersetzt aus dem Englischen.

Das Episodenbild 

Jan Vermeer hat das Gemälde “Briefleserin am offenen Fenster” von 1657 bis 1659 erschaffen.
Bis 1979 war das Original verschwunden – und hing doch in den Museen direkt vor den Augen des Publikums. Wie das geht?
Das erste Bild ist eine – nicht von Jan Vermeer – veränderte Fassung, in der das “Bild im Bild” eines Cupido (Liebesgott / Amor) fehlt. Das zweite Bild ist das Original, wie es 1979 beim Röntgen entdeckt wurde.
Die Untersuchungen zeigten, dass der Cupido im 18.Jhd. – in Paris – übermalt wurde. Im Jahr 2017 wurde dann durch Restaurierung der Originalzustands wieder hergestellt.
Ab September 2021 ist das Bild nach fast 300 Jahren wieder “wie neu” öffentlich zu sehen: Genaue Analysen helfen, das “Big Picture” wieder zu ent-decken.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Briefleserin_am_offenen_Fenster