(S1/E18) True Crime 1925: Victor Lustig verkauft den Eiffelturm und betrügt einen Schrotthändler. True Crime 2021: Nigerianische Prinzen bitten via Email arglose Bürger in einer finanziellen Angelegenheit um einen kleinen, aber durchaus lukrativen Gefallen. Und gestalten diese Mail so, dass möglichst viele Menschen erkennen, dass da was nicht mit rechten Dingen zugeht. Mit Logik, Statistik und Psychologie ausgestattet erzählen wir heute eine Geschichte über Betrüger, die nur auf den ersten Blick sehr einfältig scheinen.
Hohe Öffnungsraten, ein Mega-Response innerhalb kurzer Zeit – das wünschen sich normaler Weise die Versender von gewerblichen Emails. Sorgfältig und mathematisch korrekt werden Emails komponiert, um dieses Ziel zu erreichen. Dazwischen erreichen uns hanebüchene Schrott-Mails mit leicht zu erkennender Absicht: Ah – Betrüger sind am Werk! Ohne genauer hinzusehen, mit einem Klick landen diese im Papierkorb. Keinen zweiten Blick wert. Denkt man. Cormac Herley ist Wissenschaftler bei Microsoft. Er sieht genauer hin und zeigt in seinem Bericht, dass die „einfältigen Trottel“ in Wirklichkeit sehr geschickte Betrüger sind. Aber eben anders, als wir denken…
Quellen zur Episode:
- WIKIPEDIA Victor Lustig war ein Trickbetrüger (Confidence man) und Hochstapler österreichisch-ungarischer Herkunft. Er wurde weltweit bekannt als „der Mann, der den Eiffelturm verkaufte“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Lustig
- Capital, 24.6.2021 Wie der Hochstapler Victor Lustig den Eiffelturm verkaufte. Eine umfangreiche, aktuelle Darstellung der Geschichte von Victor Lustig.
https://www.capital.de/wirtschaft-politik/hochstapler-victor-lustig-eiffelturm-53784
- Geschichten aus der Geschichte GAG275: Eine Folge über Victor Lustig von den Machern des von uns sehr geschätzten und regelmässig verschlungenen (insofern das mit den Ohren geht) Podcasts „Geschichten aus der Geschichte“, Folge 275. Auch alle weiteren Folgen machen schlauer und meistens klüger.
https://www.geschichte.fm/podcast/gag275/
- Das Märchen vom Reichen Prinzen – absichtlich unglaubwürdig GOLEM 2012 Reiche Verwandte und Prinzen, die in Afrika Millionenerben hinterlassen haben – eine Studie von Microsoft zeigt: Je hanebüchener die Geschichten in den Scamming-E-Mails der Nigera Connection, desto erfolgreicher sind die Betrüger.
https://www.golem.de/news/microsoft-analyse-warum-betrueger-absichtlich-aus-nigeria-schreiben-1206-92660.html
- Cormac Herley, Microsoft Research: Why Do Nigerian Scammers Say They are From Nigeria? Der wissenschaftliche Bericht, der die „einfältigen Trottel“ als sehr geschickte Betrüger entlarvt. Ihr Ziel: Mit hoher Genauigkeit Mails so formulieren, dass wirklich nur die „Richtigen“ anbeissen (Der Link ist wirklich soooo lang …):
https://www.microsoft.com/en-us/research/publication/why-do-nigerian-scammers-say-they-are-from-nigeria/?from=http%3A%2F%2Fresearch.microsoft.com%2Fpubs%2F167719%2Fwhyfromnigeria.pdf%3Franmid%3D24542%26raneaid%3Dtnl5hpstwnw%26ransiteid%3Dtnl5hpstwnw-1xfffdmvgu0ciiwwxglk.a%26epi%3Dtnl5hpstwnw-1xfffdmvgu0ciiwwxglk.a%26irgwc%3D1%26ocid%3Daid2200057_aff_7593_1243925%26tduid%3D%2528ir__xm9amshoakkf6m0navrbphjij32xrfdtdhmh3kbc00%2529%25287593%2529%25281243925%2529%2528tnl5hpstwnw-1xfffdmvgu0ciiwwxglk.a%2529%2528%2529%26irclickid%3D_xm9amshoakkf6m0navrbphjij32xrfdtdhmh3kbc00
- 419 Scam Bait – die betrogenen Betrüger. Eine Warnung vorweg: So attraktiv es erscheinen mag, es diesen Betrügern mal richtig zu zeigen – tu’n Sie es nicht. Wir wir gesehen haben, es sind keine „Trottel“, die zufällig auch mal auf ein Opfer treffen, sondern industrielle organisierte Profis in einem kriminellen Netzwerk mit weitreichenden Verbindungen. Angefügt ist ein Wikipedia-Artikel, der in das Thema einführt und in der Quellenliste auch PRO-Scambaiter zeigt.
https://en.wikipedia.org/wiki/Scam_baiting
- Signalentdeckungstheorie
Egal, ob man Mails versendet, eine Diagnose von Covid19 vornehmen oder Waffen am Security Gate des Flughafens entdecken will: Ziel ist, genau die Personen zu identifizieren, die bestimmte Merkmale aufweisen oder auch nicht aufweisen. Das sind zwei Paar Schuhe, und es gibt vier unterschiedliche Ergebnisse.
Merkmal vorhanden | Merkmal nicht vorhanden | |
Merkmal entdeckt | Treffer (engl. hit) | falscher Alarm (falsch positiv, engl. false positive, false alarm) |
Merkmal nicht entdeckt | Verpasser (falsch negativ, engl. miss / false rejection) | korrekte Ablehnung (engl. correct rejection) |
In der Statistik werden die Zellen dieser Tafel genutzt, um bei Analysen und Schätzungen zwei Arten von Fehlern zu unterscheiden:
- Sensitivität: Der Anteil (%-Wert) der Treffer wird auch als Sensitivität oder Trennschärfe eines Tests bezeichnet.
Beispiel Sars-Cov-2 Selbsttest: Eine Sensitivität von 97% bedeutet, dass im Mittel 97 von 100 Erkrankten erkannt werden. 3 von 100 Erkrankten werden fälschlich verpasst (falsch negativ). - Spezifität: Dieser Wert bezieht sich auf die korrekte Erkennung der nicht Erkrankten: Eine Spezifität von 90% bedeutet, das 9/10 nicht Erkrankte erkannt werden (korrekte Ablehnung) aber 10% falsch positiv sind (falscher Alarm, false positive).
- Wenn es um die Sicherheit von Leib und Leben (Medizin, Flughafen Sicherheit) geht, nimmt man eher eine hohe Sensitivität mit Fehlalarmen in Kauf, als tatsächliche Gefahren zu verpassen. Ärgern Sie sich also nicht, wenn Sie mal wieder die Schuhe im Sicherheits-Gate ausziehen müssen. Better safe than sorry. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
- Wenn es um Rechtsprechung geht, gibt es dasselbe Problem: Verurteilt man möglichst viele Angeklagte (obwohl ein unbekannter Anteil nicht schuldig ist, false positiv) oder versucht man die Verurteilung von Unschuldigen zu vermeiden, und nimmt Fehlurteile bei Schuldigen in Kauf (false negativ).
- In unserem Podcast zeigen wir, dass von der Nigeria Connection Wert auf hohe Spezifität gelegt wird: Übrig bleiben sollen die „pflegeleichten Opfer“ (Treffer), „falsch positive“ (Interesse am Geld, aber nicht leichtgläubig, potentiell keine Opfer) werden abgeschreckt.
Zum Episodenbild
Unser Episodenbild zeigt eine Szene aus Das Märchen vom falschen Prinzen von Wilhelm Hauff (Original: Mährchen für Söhne und Töchter gebildeter Stände 1869): Der Schneidergeselle Labakan präsentiert sein teuer erspartes Gewand. Der Täuschungsversuch misslingt, zu offensichtlich ist Labakan kein Prinz.
Die Skizze wurde von dem französischen Zeichner Bertal (Comics, Karikaturen, Illustrationen) für die Erstausgabe des „Mährchenbuchs“ ausgeführt.
Bertal, der als Charles Constant Albert Nicolas, Vicomte d’Arnoux, Count of Limoges-Saint-Saëns geboren wurde, war zwar kein Prinz, aber immerhin von umfassendem Adel.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bertall_-_Der_vornehme_Schneidergeselle_Labakan.jpg