Nobelpreis für 2 Gehirne. Vorurteil & Launen.

Wenzel Hollar. Landschaft geformt wie ein Gesicht, unbekanntes Datum

(S1/E31) Die Überschrift scheint eindeutig irritierend, wir lösen auf. Die beiden Gehirne gehören Daniel Kahneman und Amos Tversky. Ihre Expertise: Die Rolle der Psyche bei – auch ökonomischen – Entscheidungen. Den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften nahm Daniel Kahneman 2002 entgegen – für die Forschung zu den funktionalen Gehirnen in jedem von uns: System 1, dem schnellen – und System 2, dem langsamen Denken. Amos Tversky erlebte die Ehrung nicht, er ist 1996 verstorben.

Weshalb nun der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften? Tversky und Kahneman führten mit ihrer Forschung die Psyche in die Theorien von ökonomischen Entscheidungen ein. Bis dato war es der „Homo Oeconomicus“, der zweckrational, bilanziert, weder von Gefühlen noch Launen beeinflusst, sich auf dem Markt entscheidet.

Kahneman hat zusammen mit den Kollegen Cass Sunstein und Olivier Sibony zu einem weiteren Phänomen unseres Denkens geforscht: „Noise“ (übersetzt mit Rauschen, Störgeräuschen) fügt schnellem und langsamen Denken als systematisierbare Dimensionen eine weitere hinzu: Heuristiken sind wiederverwendbare Muster, während „Noise“ ebenfalls unser Handeln unbewusst, aber zufällig, beeinflussen kann. Wir „sind schlecht drauf“, „ungerecht“, „launisch“ nicht als Persönlichkeitsmerkmal, sondern weil uns gerade eine Laus über die Leber gelaufen ist oder der Blick aus dem Fenster zeigt: Heute Grillen fällt wegen Regens aus.

Unser Fazit: Trau! Schau! Wem?“ (Volksmund). Und: „Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu“ (Jürgen Wegmann). Und eine Frage an die werte Leser-/Hörerschaft: tun wir gut daran, der Künstlichen Intelligenz nur unsere Heuristiken, das System 1, zu schenken?

Was das mit Web und App, Zimmerbuchungen unter Druck und digitalen Stimmungsaufhellern zu tun hat, erzählen wir in dieser Folge.

Die Quellen zur Episode

Zunächst die bekanntesten erwähnten Werke zum Thema

  • Schnelles Denken, langsames Denken“ Daniel Kahneman. 2016
  • „Noise: Was unsere Entscheidungen verzerrt – und wie wir sie verbessern können“ Daniel Kahneman, Olivier Sibony, Cass R. Sunstein. 2021
  • Daniel Kahneman, Paul Slovic, Amos Tversky (Hrsg.): Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. Cambridge University Press, New York 1982
  • Fairness versus Reason in the Ultimatum Game, Martin A. Nowak, Karen M. Page, Karl Sigmund (Institut for Advanced Studies, Princeton September 2000. Science Vol 289
  • Ende gut, alls gut! Der Recency Effekt.
    Quelle: Kahneman, Daniel; Fredrickson, Barbara L.; Schreiber, Charles A.; Redelmeier, Donald A. (1993). “When More Pain Is Preferred to Less: Adding a Better End”. Psychological Science. 4 (6): 401–405. doi:10.1111/j.1467-9280.1993.tb00589.x.
  • Russell J. Fuller: Amos Tversky, Behavioral Finance, and Nobel Prizes in Financial Analysts Journal, Band 52, No. 4 (Jul./Aug. 1996), S. 7–8.

Zum Episodenbild:

Wenzel Hollar 1607 – 1677 wurde in Prag geboren und starb in London. Er war ein angesehener Kupferstecher.
Das Episodenbild zeigt ein Vexierbild, ein Bild mit je nach Wahrnehmung unterschiedlichen Inhalten. Oftmals wurden solche Bilder von den Künstlern genutzt, um neben dem Offensichtlichen auch noch Inhalte darzustellen, „auf die man erst einmal kommen musste“ -sowohl System 1, das schnelle Erfassen, wie auch System 2, das gründliche Denken werden von Vexierbildern angesprochen.

Leider wissen wir bis auf den offensichtlichen Titel „Landschaft in Form eines Gesichts“ und den Künstler wenig über das Episodenbild. Nur: Vexierbilder waren ein im 17. Jhd, beliebtes Genre.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/04/Wenceslas_Hollar_-Landscape_shaped_like_a_face%28State_1%29.jpg?uselang=de