Anwesenheit von Abwesenheit: Phubbing

Drei Mädchen vor einem Getreidefeld, zwei beschäftigen sich intensiv mit ihren Liebespfändern (Jetons d'amours).
Jetons d'amoure (von Jules Breton, gemalt 1855)

(S1/E42) Vor zehn Jahren wurde im Rahmen einer Kampagne für das australische Maquarie Dictionary ein neues Wort geboren: Phubbing. Es bezeichnete – und bezeichnet noch heute – eine geradezu prototypische Situation unserer neuen digitalen Welt: Menschen entziehen sich ihrer sozialen Umwelt, seien es Freunde, Partner oder Familienangehörige, um sich mit den wahrhaft wichtigen Dingen zu beschäftigen, die natürlich in ihren Smartphones stattfinden. Also versenken sie sich, meist ohne zu fragen oder sich zu entschuldigen, und – “phubben” was das Zeug hält.

Mittlerweile ist das Wort zum festen Bestandteil des Vokabulars geworden, mit dem man soziale Situationen oder Begegnungen von Menschen mit mobilen Endgeräten beschreibt. Es gibt dabei verschiedene Varianten: Eine Gruppe von Jugendlichen (oder auch Menschen beliebigen Alters, machen wir uns nichts vor) stehen im Kreis, irgendwo in einer Stadt, vor einer Schule, in einem Park, vor einem Club und anstatt sich scherzend und fröhlich oder auch ernst und konzentriert oder meinetwegen auch nur albern und dümmlich zu unterhalten, starren sie stumm in ihre Smartphones. Am charakteristischen Knickhals erkennt jeder Eingeweihte, was hier gerade vor sich geht… Jeder phubbt jeden, könnte man hierzu sagen. Ein anderes Szenario: Menschen sitzen am Tisch in einem Restaurant und wiederum an den charakteristischen Knickhälsen einiger wortloser Mitglieder der Gesellschaft wird deutlich, dass man sich hier gerade mitnichten um die Tischnachbarinnen und -nachbarn kümmert, sondern um die neuesten Notifications aus den Social Media Feeds. Es gibt viele Varianten dieser Situation: Eltern phubben ihre Kinder (oder umgekehrt), Frauen ihre Männer (oder umgekehrt) wir phubben Euch (oder umgekehrt), Vorgesetzte ihre Untergebenen (oder umgekehrt). Dass es sich hierbei nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um eine Plage, ein in jeder Hinsicht massiv gestörtes Verhalten handelt, werden wir in unserer 42. Folge von achwas.fm erklären. Es geht u.a. um die erste Phubbing-Kampagne aus dem Jahr 2012, eine Übersicht der momentan gehandelten Studienergebnisse und eine spezielle Studie aus dem Jahr 2018, in der Phubbing in einer cleveren Imaginations-Studie untersucht wurde. Schließlich suchen wir nach möglichen Regeln (gibt es möglicherweise sozialverträgliches Phubbing?) und versuchen eine Analyse ähnlicher Phänomene. Haben Sie schon einmal das Meer mit Sternchen bewertet?

Quellen zur Episode

  • Die Website des Macquarie Dictionary, das die Phubbing-Kampagne in Auftrag gegeben hat:
    https://www.macquariedictionary.com.au/
  • Die Studie über die Ursachen und Wirkungen von Phubbing: Chotpitayasunondh, V., & Douglas, K. M. (2018). The effects of “phubbing” on social interaction. Journal of Applied Social Psychology48(6), 304-316. Online unter https://kar.kent.ac.uk/65777/

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Die prototypischen Phubbing-Kontexte, also Konversationen, Gespräche, Begegnungen und Gesellschaften sind natürlich in der Geschichte der Kunst leicht zu finden. Nur: niemand darauf phubbt! Nach einer längeren verzweifelten Recherche durch die Jahrhunderte und Stilepochen ist es uns dann gelungen, ein Bild zu finden, das junge Mädchen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in einer ländlichen Umgebung zeigt – mit verräterischem Knickhals…! Es wurde von dem nicht unbekannten französischen Maler Jules Breton gemalt. Das Bild trägt den Titel “Jetons d’amour” (Liebespfänder) und zeigt, was man mit Liebespfändern damals anscheinend so gemacht hat: Phubben!

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jules_Breton_-_Love_Tokens.jpg