„Memes“, das sind Bilder und Video-Schnippsel, die ironische oder lehrreiche oder mehr oder weniger lustige Dinge zeigen. Sie sind laut Wikipedia ein wichtiger Teil der Netzkultur und damit ein würdiges Thema für achwas.fm!
Recherchiert man genauer nach, woher das Wort „Meme“ stammt, wird man überrascht: Nein, es ist eben genau keine Wortschöpfung der Internet-Kultur, sondern eine Idee, die auf einen Zoologen und Evolutionsforscher namens Richard Dawkins zurückgeht. Er hat in den siebziger Jahren in seinem berühmten Buch mit dem Titel „das egoistische Gen“ den Begriff geprägt. Eigentlich ist Dawkins eher an der Ausbreitung von Genen und Evolutionsprozessen interessiert, aber die Analogie Gen (Genetik) – Mem (Kultur) hat es in das Netz der Netze geschafft und wird dort allerdings etwas irreführend verwendet. Im Podcast erläutern wir das Problem ausführlich.
Kurz: Bei Dawkins ist die Relation zwischen Genen und Memen und ihren jeweiligen sichtbaren Auswirkungen folgendermaßen konzipiert: In der Genetik ist das Gen der unsichtbare „Replikator“, Lebewesen sind sichtbare Vehikel, mit denen die Gene sich fortpflanzen bzw. ihre Existenz sichern. In menschlichen Kulturen sind die unsichtbaren Replikatoren Ideen und deren sichtbare Vehikel sind Medieninhalte (Erzählungen, Bilder…).
Studien
Hier lösen wir unser Versprechen ein, einige empirische Studien zur Dynamik und Ausbreitung von Memes zu empfehlren:
- Johann und Bülow analysieren die Verbreitung des sogenannten „Merkel-Memes“ auf Twitter. Sie untersuchen die Netzwerkstrukturen und identifizieren Faktoren, die die Diffusion von Memes in sozialen Medien beeinflussen.
Johann, M., & Bülow, L. (2018). Die Verbreitung von Internet-Memes: empirische Befunde zur Diffusion von BildSprache-Texten in den sozialen Medien. kommunikation @ gesellschaft, 19, 1-24.
https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/56037/ssoar-ketg-2018-johann_et_al-Die_Verbreitung_von_Internet-Memes.pdf?
- Eine Studie, die Ursprünge und Verbreitungswege von Bild-Memes über verschiedene Online-Communities hinweg analysiert. Die Autoren zeigen auf, wie zentrale und periphere Gemeinschaften zur Entstehung und Verbreitung von Memes beitragen.
Morina, D., & Bernstein, M. S. (2022). A Web-Scale Analysis of the Community Origins of Image Memes. Proceedings of the ACM on Human-Computer Interaction, 6(CSCW1), 1-25.
https://dl.acm.org/doi/pdf/10.1145/3512921
- Diese Untersuchung beleuchtet, wie Randgemeinschaften im Web, wie 4chan und Gab, zur Entstehung und Verbreitung von Memes beitragen. Die Studie zeigt auf, wie Inhalte aus diesen Communities in den Mainstream übergehen.
Zannettou, S., Caulfield, T., Blackburn, J., De Cristofaro, E., Sirivianos, M., Stringhini, G., & Suarez-Tangil, G. (2018, October). On the origins of memes by means of fringe web communities. In Proceedings of the internet measurement conference 2018 (pp. 188-202).
https://arxiv.org/abs/1805.12512?
- Eine weitere Studie untersucht die Entwicklung von Memes über einen Zeitraum von zehn Jahren auf Reddit. Die Autoren analysieren die Komplexität und Entropie von Memes, um deren evolutionäre Muster zu verstehen.
Valensise, C. M., Serra, A., Galeazzi, A., Etta, G., Cinelli, M., & Quattrociocchi, W. (2021). Entropy and complexity unveil the landscape of memes evolution. Scientific Reports, 11(1), 202
https://www.nature.com/articles/s41598-021-99468-6.pdf
andere Quellen
Wer das Buch von Dawkins in der deutschen Übersetzung im Original lesen möchte, kann es z.B. bei bücher.de bekommen:
https://www.buecher.de/artikel/buch/das-egoistische-gen/40917842
Der Exzerpt-Dienst „getabstract“ beitet eine übersichtliche Zusammenfassung der „Selfisch-Gene“-Theorie von Richard Dawkins:
https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/das-egoistische-gen/7827?
Ein Beispiel für Literatur, in der man den markenpsychologischen Effekten von Memes auf den Grund geht ist die Arbeit von Teng, H., Lo, C. F., & Lee, H. H. (2022). How do internet memes affect brand image?. Online Information Review, 46(2), 304-318.
https://www.emerald.com/insight/content/doi/10.1108/oir-05-2020-0192/full/pdf?
oder zum gleichen Thema
Vasile, S., Mototo, L., & Chuchu, T. (2021). Using “Memes” as a marketing communication tool in connecting with consumers within the age of digital connectivity. International Review of Management and Marketing, 11(3), 30-35. https://kclpure.kcl.ac.uk/ws/portalfiles/portal/101509725/2018imc_memes.pdf
Image Boards
Die Marktplätze und Brutkästen bzw. Ökosysteme für Memes nennt man Image Boards. Das wahrscheinlich bekannteste, auf dem u.a. auch die „Q-Anon“ Bewegung wichtige Impulse erhielt, ist „4Chan“, erreichbar unter https://www.4chan.org/. Ganz ähnlich, neuer und mit weniger Moderation – also mehr Desinformation – arbeitet eine Plattform namens „9Gag“ https://9gag.com. Wie der Name vermuten lässt, geht es um Humor, wobei man beim Blättern durch die Bilder und Videos schnell versteht, dass Humor Ansichtssache ist. Einer weiterer Meme-Baukasten, die wir im Podcast erwähnen, ist https://imgflip.com/. Er bietet spezielle Templates für bestimmte Meme-Themen an, etwa die Trump Executive Order. Ein weiterer Baukasten findet sich auf https://memehead.com („Find, rate and share the best memes and images. Discover the magic of the Internet“).
Ranglisten von Memes finddn sich allenthalben, z.B. eine der besten deutschen Memes auf TikTok, dort sind es natürlich Videos.
https://www.tiktok.com/discover/deutsche-memes-2024
Das Ur-Mem „Dancing Baby“
Das Ur-Mem „Dancing Baby“
…kann man sich auf YouTube ansehen:
..und offen gestanden: man fragt sich, was daran eigentlich besonders viral sein soll. Das wird durch die gefühlt hundert Variationen des hüftenschwingenden Säuglings auch nicht besser.
Trumps Executive Order
Eines der meistgeteilten, meistzitierten und veränderten, reposteten Memes ist die „Trump Executive Order“. Hier aus
Distracted Boyfriend
Auch dieses Meme gehört zu den Berühmten, meistgesehenen und -geteilten: das Distracted Boyfriend Motiv. Wir ersparen es uns das Bild zu erklären. ‚Stattdessen haben wir haben es ausprobiert und: voilà: das erste achwas.fm Meme!
Das Episodenbild
Darstellungen analog zu Internet-Memes sind keine Erfindung des Internets – natürlich. Ganz im Gegenteil: Man findet man zahlreiche historische Beispiele für politische Karikaturen, Satire und Propaganda oder Agitation auf Flugblättern. Nach der Erfindung der Druckerpresse im 15. Jahrhundert konnten solche Medien massenweise hergestellt und unter die Leute gebracht werden. Das Beispiel in unserem Episodenbild zeigt ein Flugblatt, in dem ein von vielen Schulden, Steuern und Abgaben belasteter „John Bull“ mit einer „Conventional Bill“ bedroht wird. John Bull war eine fiktive Persona, die in vielen Zusammenhängen verwendet wurde, um das britische Volk zu symbolisieren. Der Herr mit der Keule war William Pitt, der britische Premierminister. Die Szene spiel um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Derartige Flugblätter wurden publiziert und verbreitet, um die Stimmung im Land in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen und sie waren immer bunt, lustig und ironisch bis sarkastisch – Memes eben.
Die Bildquelle auf Wikimedia Commons:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_modern_Hercules_or_a_finishing_blow_for_poor_John_Bull_(BM_1868,0808.6474).jpg
Hintergründe zum Bild und eine Erklärung der dargestellten Zusammenhänge findet man auf der Website des Britischen Museums:
https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1868-0808-6474