Vom falsch Zeugnis reden: Fake News I.

Baron von Münchhausen fliegt auf einer Kanonenkugel
Gravur von August von Wille (1828-1887)

Das Minnessota Multiphasic Personality Inventory (MMPI) ist so etwas wie die Mutter aller Persönlichkeitstests in der klinischen Psychologie und Psychiatrie. Er enthält mehr als 500 Fragen, die so formuliert sind, dass man sie mit “ja” und “nein” beantworten kann. “Meistens fühle ich mich am ganzen Körper schwach” oder “Ich habe Freude an Kindern”. Eine Spezialität des Tests ist, dass man versucht, Verfälschungen zu erkennen, die entstehen, weil Menschen nach außen gerne besser aussehen als sie wirklich sind. Hierfür gibt es Kontrollfragen, von denen sich eine (…kommen wir langsam mal zur Sache…) als Intro für unserer Fake News Folge eignet:

Ich sage nicht immer die Wahrheit!

Was hat es damit auf sich? Nun, man muss diese Frage mit “ja” beantworten, wenn man ehrlich ist, denn niemand sagt “…immer die Wahrheit”. Anders formuliert: wer diese Frage mit “nein” beantwortet, möchte irgendwie besonders unschuldig und brav sein – und eben das interessierte die Konstrukteure des Fragebogens. Es scheint also, dass die Lüge zum gesunden Leben dazugehört, in allen Varianten, die möglich sind (Notlügen, Verheimlichen, Leugnen, Prahlen, Fabulieren). Betrachtet man die Sache moralisch, wird man dabei sicherlich zwischen verschiedenen Graden von Harmlosigkeit oder Toxizität von Lügen unterscheiden müssen. Ein dreijähriges Kind, das uns hinsichtlich der Menge der eben gerade konsumierten Süßigkeiten anschwindelt, um den Nachschub zu sichern, wird man kaum als bösartig und raffiniert bezeichnen. Eltern, die ihren Kindern erzählen, das Christkind sei da gewesen, sind weder notorische noch besonders bösartige Lügner. Wer in einer Verkehrskontrolle die Menge der eben gerade konsumierten alkoholischen Getränke nach unten korrigiert, um den Verdacht der Gesetzeshüter/innen nicht übermäßig auf sich zu ziehen, hat zumindest unser Verständnis. Man kann sogar Höflichkeit als besonders diffizile Lügendisziplin verstehen (“Nein, nein Du siehst prima aus!”) So gesehen ist also Lüge nicht gleich Lüge und es scheint bei genauerem Nachdenken auch fast unmöglich, sich ein Leben ganz ohne Lügen vorzustellen.

Wie ist das mit Medien? Immerhin haben wir den Anspruch, dass Dinge, die in großen Medien vermeldet und multipliziert werden, der Wahrheit entsprechen sollten. Lange Zeit hat dies auch funktioniert. Wenn man etwas in der Zeitung gelesen oder im TV-Gerät gesehen hatte, dann war das über Jahrzehnte ein Anzeichen dafür, dass es sich um Tatsachen handeln musste – zumindest in westlichen “Mainstream-Medien” (…das Staatsfernsehen totalitärer Regime lassen wir hier einmal außer Acht). Was wir derzeit in neuen und sozialen Medien erleben, ist allerdings eine veritable Zeitenwende in Sachen Lüge und Wahrheit. Lügen haben Höchstkonjunktur, und dies gilt im wahrsten Sinn des Wortes, denn teilweise wird mit raffinierten Lügen schlicht Geld gemacht. Hinzu kommt, dass Onlinemedien aufgrund ihrer psychologischen und technischen Beschaffenheit Lügen geradezu lieben, denn sie bringen alles mit, was man braucht, um hohe Reichweiten, Engagement und lange Nutzungsdauer zu erreichen. Es geht dabei natürlich nicht nur um Geld, sondern auch um das Erzielen von Wirkungen auf Meinungen und Einstellungen. Wir alle wissen das und in unserem Podcast erzählen wir davon.

Also: Welche Fake News aus der Geschichte sind interessant? Wann hat das Zeitalter der Fake News begonnen? Welches waren die Lügen, mit denen in der jüngsten Zeit Erfolge erzielt wurden? Diese Fragen beantworten wir in Folge I unserer Fake News Episode. Dabei geht es um Anekdotisches – und teilweise einigermaßen Bizarres…

Quellen:

Das Bild zur Episode

Wenn man über Lügen rechcherchiert, kommt man um den ungekrönten König dieser Disziplin, den Lügenbaron von Münchhausen nicht herum. Seine skurrilen Geschichten wären heute Content vom Feinsten – Klicks und Shares garantiert. Wir zeigen hier eine Gravur von August von Wille (1828-1887), auf die legendärste aller Lügengeschichten, der Ritt auf der Kanonenkugel, zu sehen ist.

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:M%C3%BCnchhausen-AWille.jpg