Ich knipse mich, also bin ich. Über Selfies.

Gemälde einer Frau, die sich vor einem Wandspiegel in einem Handspiegel betrachtet
Frederick Carl Frieseke: Woman with a Mirror (1911)

(S2/E02) Wir vermuten ja, dass das Bedürfnis des Homo Sapiens sich selbst zu betrachten und/oder irgendwie bildlich zu verewigen, angeboren ist. Anders wäre kaum zu erklären, dass es durch die Jahrhunderte immer wieder neue Ausdrucksformen gefunden hat – von den Graffiti-Händen der Steinzeit über die mit hoher Kunstfertigkeit geschaffenen Selbstbildnisse klassischer Künstler bis zum buchstäblich milliardenfach geschossenen digitalen Pixelportrait des 21. Jahrhunderts. Natürlich: wir sprechen vom Selfie.

Dieser Frage gehen wir nach und legen einige verborgene Schichten frei, berichten unter anderem von „Selfiegates“, heldenhaften, geschmacklosen, tödlichen und „Disaster-Selfies“. Und wir kommen zu dem Schluss, dass Selfies vielschichtig und überhaupt keine harmlosen Zufallsprodukte sind. Sie können im Dienst von Beziehungen stehen. Paare fotografieren sich gemeinsam. Promis oder Influencer/innen, die sich an bestimmten Orten in bestimmten Posen ablichten, werden oftmals von hunderten oder gar tausenden Fans oder Follower/innen imitiert. Gnade dem einsamen romantischen Ort, der zur Kulisse eines solchen Follower-Rituals wird! Dabei gilt: Je spektakulärer und exklusiver der Ort und/oder die anwesenden Personen, desto wertvoller werden die geschossenen Trophäen. All dies dient dem „Self-Branding“ und der Selbstvergewisserung. Wir meinen, es geht noch um mehr: Selfies haben magische Qualitäten, sind Rituale der symbolischen Inbesitznahme von Menschen, Orten und Situationen. Also: Zeige mir Deine Selfies und ich sage Dir, wer Du bist!

Quellen zur Episode

zum Episodenbild

Natürlich wäre – wie am Ende der Podcastfolge angekündigt – ein klassisches Selbstbildnis ein schönes Motiv für eine Episode zum Thema Selfies gewesen, irgendwas von Rembrandt oder van Gogh… Dann ist uns ein Gemälde über den Bildschirm gelaufen, dass uns noch besser gefällt: Eine elegante Dame, die sich sehr intensiv (und verrenkt) mit ihrem Anblick beschäftigt und dabei simultan einen Hand- und einem Wandspiegel benutzt – ziemlich „selfiemäßig“, fanden wir. Das Original des Bildes hängt im Metropolitan Museum of Modern Art in New York und wurde 1911 von Frederick Carl Frieseke gemalt – ein Maler des amerikanischen Impressionismus (…von dem wir bis zu unserem Fund ehrlicherweise auch noch nie gehört hatten).

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Woman_with_a_Mirror_(Femme_qui_se_mire)_MET_DP161210.jpg

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