Geschichten zwischen den Kulturen

Ölgemälde von drei Tahitianer/innen
Paul Gaugin: Portrait dreier Tahitianer (1889/89)

Der Amerikaner, der den Columbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung!“ So spottete Georg Christoph Lichtenberg in seinen “Sudelbüchern” (1765 bis 1799). Schon damals konnte ein unabhängig und nüchtern denkender Mensch wie er ohne Weiteres verstehen, dass die Entdeckung der neuen Welt am Ende am Ende eine moralische Katastrophe war und eine klare Einteilung in Gewinner/innen und Verlierer/innen zur Folge hatte. Die einen wurden betrogen und massakriert, die anderen kamen zu Wohlstand und vererbten den geraubten Besitz so lange ihren Kindern und Kindeskindern, bis diese endlich das Gefühl hatten, alles habe schon immer ihnen gehört.

Gut, wir geben zu; das ist lange her und eigentlich gelaufen – vielleicht abgesehen von einigen Finanzfonds oder Förderprojekten für indigene Kulturen, mit denen sich die Ur-Enkel der Täter von damals ihr Gewissen erleichtern. Aber wie verhält sich das heute, im Zeitalter der Globalisierung? Gibt es noch so etwas wie Kulturen, sind wir nicht alle digital gleichgemacht?

Die Anwort kann man einfach und mit Sicherheit geben: nein! Zwei Jahrzehnte Browser, Social Media und Suchmaschinen konnten Jahrhunderte kultureller Entwicklung und Identität noch nicht egalisieren. Noch sind die gewachsenen Unterschiede zwischen Ethnien und Subkulturen größer als die narkotische Wirkung von You-Tube und TikTok. (Ehrlich gesagt: Wir hoffen, das das so bleibt, denn auch im im dritten Jahrtausend scheint uns kulturelle Diversität ein Garant fürs Überleben zu sein.)

In unserer Podcast-Episode gehen wir der Frage nach, mit der sich Anthropologen und Ethnologinnen schon lange beschäftigen: Gibt es so etwas wie universelle Begriffe, mit denen wir alle Kulturen beschreiben und vergleichen können? Wir beschreiben eines der Modelle, die in diesem Kontext entwickelt wurden: die kulturellen Dimensionen des niederländischen Anthropologen und Sozialpsychologen Geert Hofstede:

  1. Machtdistanz (Power Distance Index, PDI): In Kulturen mit hoher Machtdistanz wird erwartet, dass Macht ungleich verteilt ist, und diese Ungleichheit wird als normal angesehen.
  2. Individualismus vs. Kollektivismus (Individualism, IDV): In individualistischen Gesellschaften werden individuelle Rechte und Freiheiten betont.
  3. Maskulinität vs. Femininität (Masculinity vs. Femininity, MAS): Maskuline Kulturen betonen Wettbewerb, Leistung und Erfolg.
  4. Unsicherheitsvermeidung (Uncertainty Avoidance Index, UAI): Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung versuchen, Unsicherheit durch strenge Regeln und Glaubenssysteme zu minimieren.
  5. Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung (Long-Term Orientation, LTO): Kulturen mit einer langfristigen Orientierung planen für die Zukunft und zeigen Respekt für Tradition.
  6. Genuss vs. Zurückhaltung (Indulgence vs. Restraint, IVR): Indulgente Kulturen erlauben Freizeit und Genuss, während zurückhaltende Kulturen diese Bedürfnisse durch strenge soziale Normen regulieren.

…und dann kümmern wir uns neben allerlei anekdotischen Anmekungen über kulturelle Missverständnisse um die Frage, was das mit dem Internet zu tun haben könnte. “Culturability” und “kulturelle Marker” sind in diesem Zusammenhang zwei interessante Stichworte. Aber wir beschäftigen uns auch mit der Frage, wie die neuen Möglichkeiten, die das Netz bietet, für interkulturelle Forschung genutzt werden.

Die Quellen zur Episode

  • Eine wirklich GROSSE Artikelsammlung zum Thema Kulturpsychologie: The Online Readings in Psychology and Culture (ORPC) is designed to serve as a resource for researchers, teachers, students, and anyone who is interested in the interrelationships between Psychology and Culture. https://scholarworks.gvsu.edu/orpc/contents.html

zum Episodenbild:

Der französische Maler Paul Gaugin (1848-1903) war einer der berühmtesten Reisenden zwischen den Kulturen. Während seiner Aufenthalte auf Tahiti malte er Einheimische – meist weibliche Modelle – und kolorierte die Bilder so, wie er sich den Klang der Karibik vorstellte. Allerdings war schon damals nicht mehr viel dran, am Traum von der Südsee. Viele Einwohner/innen der Insel waren verarmt und arbeitslos – aber immerhin: sie waren christianisiert! Das Episodenbild wurde 1988 oder 1889 gemalt und hängt heute in der schottischen Nationalgalerie.

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Paul_Gauguin_134.jpg