Auf den Hund gekommen: klassisches Konditionieren

Ein Hund sitzt auf einem roten Kissen und sieht den Betrachter treu an
Portrait eines Hundes von Henri van Assche, gemalt 1801

(S1/E36) Das Assoziieren von emotionalen Reaktionen und Bedeutungen mit neutralen Gegenständen oder Inhalten ist ein Lebensvorgang wie das Atmen oder Verdauen. Das Thema dieser Folge ist also in dieser Hinsicht ein Klassiker: Wir können bestimmten Dingen oder Inhalten durch das Koppeln mit schon etablierten Gefühle auslösenden Dingen die Macht verleihen, diese nun ihrerseits selbst auszulösen. Dieser Vorgang wird als klassische Konditionierung bezeichnet. Wieder einmal gilt, dass dieses Prinzip eigentlich seit Jahrhunderten bekannt sein dürfte, doch die Wissenschaft hat es erst im frühen 20. Jahrhundert entdeckt und systematisch erforscht. Die Werbepsychologie kennt es seit langem und auch im Web und in sozialen Medien ist es allgegenwärtig.

Drei Facetten des Themas nehmen wir uns vor: Die erste betrifft die historische Entdeckung und wissenschaftliche Beschreibung des Vorgangs, bei dem ein neutraler Reiz durch wiederholte Kombination mit einer reflexauslösenden Situation die Fähigkeit erwirbt, selbst zum Auslöser zu werden. Erstmals beschrieb dieses Phänomen Iwan Petrovitch Pavlow, ein russischer Arzt und Physiologe (und Nobelpreisträger 1902). Knapp 20 Jahr später beobachtete auf der anderen Seite des Atlantiks der Psychologe John Watson was geschieht, wenn ein man ein Kleinstkind in dem Moment erschreckt, wo es beispielsweise ein kleines Tier sieht. Es bekommt Angst vor dem Tier und auch hier haben wir es mit einer klassischen Konditionierung zu tun.

Eine Studie von Gerald Gorn aus dem Jahr 1982 gilt als Paradebeispiel der Nutzung dieses Prinzips in der Werbung und ist unser zweites Beispiel. Wer sich das vorstellen will, kann vielleicht einmal bei einem Film den Ton abdrehen – um dann zu beobachten, wie die emotionale Tiefe des Geschehens unmittelbar verflacht. Mit Musik kann man alle möglichen Dinge emotional einfärben und genau dieses Prinzip – das dem einer klassischen Konditionierung entspricht – interessierte Gorn. Und er konnte beobachten, dass Menschen, die dem ausgesetzt sind, sich u.U. überhaupt nicht darüber im Klaren sind, dass sie beeinflusst werden.

Celebrities sind ebenfalls Objekte, die – wie man es so schön formuliert – „emotional besetzt“ sind. Und die Autoren unseres 4. Studien-Beispiels untersuchten genau deren Wirkung auf die „Brand Attitude“. Nach 5 Darbietungen eines Fake-Produkts mit Jennifer Aniston war die Einstellung der Proband/innen zu diesem Produkt merklich (um 8%) positiver und diese Wirkung war auch nach 2 Wochen noch nachweisbar. Für uns, die wir uns für die Geschichten hinter den Pixeln interessieren, ist hier natürlich der naheliegende Transfer ins Influencer-Marketing relevant.

Den Abschluss bildet ein raffiniertes Experiment, in dem mit extrem kurzen Darbietungszeiten Bildmaterial aus Facebook verwendet wurde, um sehr schnelle reflexartige Reaktionen der Proband/innen erfassen zu können. Auch hier war sich niemand dieser Prozesse bewusst und es zeigte sich, dass vor allem Intensiv-Nutzer/innen und suchtgefährdete Personen zu emotionalen Reflexen auf Facebook-Symbole neigten.

Die Quellen zur Podcast-Folge

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Klassisches Konditionieren ist nach unserem Wissen niemals der Gegenstand einer künstlerischen Darstellung gewesen. Also haben wir uns dafür entschieden, den namenlosen Haupt-Protagonisten der (übrigens durchaus grausamen) Konditionierungsexperimente von Pavlow ein Denkmal zu setzen. Bilder von Hunden gibt es nun reichlich, meist in den Varianten dekadenter Schoßhund oder edles Windspiel. 1801 malte der belgische Maler Henri Van Assche ein wahrscheinlich von einem liebenden Herrchen oder Frauchen beauftragtes Hundeportrait, dem wir wegen des virtuos beobachteten und gemalten herzzerreißenden Hundeblicks nicht widerstehen konnten.

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_of_a_dog,_seated_on_a_red_cushion,_by_Henri_van_Assche,_1801.jpg